Welche Bedeutung haben Gefühle und Erlebnisse für den Glauben?


Christlicher Glaube ist gelebter und erfahrener Glaube. Doch was ist, wenn ich nichts von Gott spüre? Und in welchem Verhältnis stehen persönliche Gotteserfahrungen zur Bibel? Was hat den Vorrang?

Ich möchte hierzu eine Antwort geben:

INHALT:

       1. Gott drängt sich nicht auf
      
2. Hilfe, ich spüre nichts von Gott !
      
3. Gott redet ständig zu mir !



1. Gott drängt sich nicht auf

Gott ist da - allgegenwärtig, ewig und wahrhaftig.

Aber Gott ist auch heilig und wir sind Sünder - begnadigte Sünder, wenn wir an Jesus glauben, aber doch unserer eigentlichen Natur nach im Widerspruch zu Gott. Denn wohl nichts ist für die menschliche Natur so fremdartig und sperrig wie die unbegreifliche Liebe und Gerechtigkeit, Güte und Heiligkeit Gottes. Gottes unmittelbar spürbare Gegenwart entzieht sich uns Menschen deshalb schnell, wenn wir mit den Dingen unseres täglichen Lebens beschäftigt sind und uns Ihm nicht mit vollem Herzen zuwenden.

Andererseits ist es ein wesentliches Element der Liebe - insbesondere der Liebe Gottes -, Freiheit zu lassen und die geliebte Person in ihrer Unabhängigkeit zu respektieren. Gott wird uns nicht die Würde nehmen, selbst über unsere Handlungen und Gedanken zu bestimmen. Sondern Gott möchte Menschen, die Ihn aus freien Stücken lieben und Sein Wort beachten. Wenn Menschen Gott ablehnen und lieber ihren eigenen Vorstellungen folgen, hat dies zwar Konsequenzen - aber Gott hindert sie nicht daran. Es ist nicht das Ziel Gottes, den Menschen zu etwas zu zwingen.

Aus den genannten Gründen drängt Gott sich nie auf.

Das ist ein wesentlicher Unterschied zu okkulten Mächten: Diese sind selbst in der Sünde und trachten danach, den Menschen zu beherrschen. Sie “kleben” deshalb geradezu an der Person. Typisch dafür war eine junge Frau, die mir mailte, sie habe einen “Engel”, der ständig auf sie aufpasse und dessen Gegenwart sie immer spüre. Sie wußte sogar den Namen dieses “Engels” und konnte sich nach ihrer Aussage jederzeit mit ihm unterhalten. Sofern die Schilderung der Mailschreiberin zutrifft, woran ich nicht unbedingt zweifle, handelt es sich bei einem solchen “Engel” erkennbar um eine dämonische Macht.
Ebenso wie Gott selbst macht sich auch ein Engel Gottes nie einem Menschen in dieser Weise verfügbar. Gerade in dieser ständigen besitzergreifenden Präsenz - unabhängig von Tun und Willen des Betreffenden - zeigt sich der dämonische Aspekt der Besessenheit.

Nochmals: Gottes Gegenwart drängt sich nie auf. Um mit Gott ständig im unmittelbaren Kontakt zu stehen, müßten wir ebenso sündlos sein wie Jesus.

Im Leben der meisten Christen ist deshalb das unmittelbare Erleben Gottes ein seltenes und kostbares Erlebnis. Wir wissen, daß Gott da ist, und wir glauben Seinem Wort. Aber die meiste Zeit spüren wir Gott genausowenig, wie es ein Atheist täte. Glaube muß vom Vertrauen auf Gottes Wort getragen sein, nicht von der Bestätigung durch Gefühle.


2. Hilfe, ich spüre nichts von Gott !

Gerade Menschen, die noch jung im Glauben sind, haben damit häufig ein großes Problem und meinen, das Gefühl von Gottes Gegenwart müßte von nun an ständig da sein. Ihr Vertrauen auf Gott hängt in starkem Ausmaß davon ab, ob und wieviel sie gerade fühlen. Ich habe vor einiger Zeit mit einem Neubekehrten gesprochen, der geradezu in eine Depression geriet, weil er verzweifelt nach Gefühlen in sich suchte, die ihm Gottes Gegenwart signalisierten. Durchs Telefon schrie er mich an: “Ich spüre nichts von Gott!” Seine Verzweiflung wich erst dann neuer Gewißheit, als Gott ihm kurz darauf in besonderer Weise den Trost schenkte, den ich ihm in unserem Gespräch nicht vermitteln konnte. Gnade Gottes !

Trotzdem liegt in dem Ansatz meines Gesprächspartners ein grundsätzlicher Fehler: Erlebnisse und Gefühle sind kostbare Schätze, dürfen aber nie Grundlage und Anker unseres Glaubens sein.

Unser Glaube muß auf Gottes Wort beruhen.

Wir müssen Seinem Wort glauben; die Bibel muß die Basis unseres Glaubens sein. Eine wunderbare Gebetserhörung oder das Gefühl von Gottes Gegenwart können hingegen stets nur die “Kirsche auf der Sahnetorte” sein. Ich möchte dies kurz grafisch veranschaulichen:



Am Wort hängt der Glaube - und weil wir glauben, dürfen wir manchmal Gottes Gegenwart erleben.

Johannes 20,29: “Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!”

2.Korinther 5,7: “...denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen.”

Gott kann Dir die Gnade besonderer Erlebnisse und Augenblicke schenken - vielleicht mehr und vielleicht weniger als anderen. Aber Dein Vertrauen setze in die Bibel und ihre Verheißungen. Wenn Du jedoch meinst, Gott in besonderer Weise erlebt zu haben, glaube nicht, daß dies eine besondere Auszeichnung wäre: Wäre Dein Glaube stärker, hätte es derartiger Zeichen nicht bedurft.


3. Gott redet ständig zu mir !

Es gibt auch das andere Extrem: Ich habe schon mit Menschen gesprochen, die zumindest vorgaben, Gott mehr oder weniger ständig zu spüren.

Einige von ihnen (aber nicht alle) waren extreme Charismatiker. Diese Menschen vermuteten hinter jeder ihrer Regungen und Gefühle Gottes unmittelbare Leitung. Egal, worum es ging - Gott war offenbar unablässig damit beschäftigt, mit diesen Menschen zu reden oder ihnen ganz “besondere” Weisungen zu geben, dies oder jenes zu tun. Solche Menschen wußten immer ganz genau, was jetzt gerade “dran” ist. Mancher von Ihnen mag versucht haben, sich durch dieses ständige Betonen von Gottes besonderer Leitung und Bevollmächtigung persönlich herauszustellen - also Lüge und fleischliche Gesinnung.

Die meisten werden aber vermutlich einfach ihre eigenen Gefühle unkritisch auf Gottes Wirken und Reden projeziert haben. Die Neigung, eigene Gefühle oder Wünsche Gott zuzuschreiben, scheint groß zu sein.

Dies ist aber nicht bloß ein recht naiver Irrtum, sondern überaus gefährlich: Wer die eigenen Gefühle, Stimmungen und Gedanken als Gottes Reden ansieht, ist durch Geschwister und letztlich auch durch die Bibel kaum noch korrigierbar. Auf die Dauer muß ein solcher Mensch in puren Subjektivismus fallen.
So hat eine katholische Frau, um die ich mich längere Zeit bemüht habe, mir gegenüber ihre Ablehnung der Bibel ganz offen damit begründet, daß Gott ständig zu ihr rede - wozu brauche sie da die “dogmatische” Bibel? Einziger Maßstab für ihren vorgeblich “christlichen” Glauben war durch diesen Trugschluß ihr eigenes Gefühl und Gutdünken - und letztlich der Zeitgeist. Unerreichbar für Gottes Wort drehte sie sich nur um ihre eigenen religiösen Ansichten, das vermeintliche Reden Gottes.

Es gibt (leider) auch eine charismatische Ausprägung dieser Projektion eigener Gedanken und Gefühle auf Gott. Viele Viele der Visionen und Prophetien, die verbreitet werden, stammen nicht von Gott, sondern sind einfach menschliche Gedanken und Wünsche. Das ist eine Tatsache, die sich nicht vermeiden läßt, wenn man biblische Prophetie zulassen will. Aber es ist eine klare Schlußfolgerung daraus zu ziehen:
1.Thessalonicher 5,21: Prüft aber alles, das Gute haltet fest!  Der Maßstab zu dieser Prüfung ist allein die Bibel. Auch wenn jemand noch so sehr meint, es sei “Gott”, der zu ihm redet: Die Bibel hat Vorrang.

Jedes Gefühl und jedes vermeintliche Erlebnis mit Gott muß sich daher an der Bibel messen lassen.

Wir sind nicht unfehlbar. Wer Gefühle und vermeintliche Gotteserlebnisse über die Bibel stellt, hat keinen Maßstab mehr außer dem eigenen Erleben und muß zwangsläufig in Irrlehre und bloße Meinungen fallen. Zudem gibt es auch andere Mächte zwischen Himmel und Erde, die sich uns als “Engel des Lichts” offenbaren können:

2.Korinther 11,14-15: “Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an; es ist daher nichts Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt von Dienern der Gerechtigkeit annehmen.”

Daher gilt:

Gefühle und Erlebnisse sind wichtig - aber Grundlage und Maßstab ist allein die Bibel.


Ingmar



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