Christina


Ich komme aus einem Elternhaus, in dem Glaube und Religion nicht totgeschwiegen wurden, sondern eher Bestandteil von philosophischen Diskussionen waren. Der Grundkonsens bei solchen Gesprächen war, daß der christliche Glaube zum einen ein gezielt eingesetztes Machtinstrument der etwas intelligenteren aber verwerflicher gesinnten Menschen und zum anderen ein Äquivalent eines imaginären Freundes der etwas labileren aber ethisch nobler gesinnten Menschen sei.

Diese Weltsicht schloß die Existenz eines Weiterexistierens nach dem Tod, eines geistigen Lebens, das sich dem materiellen Menschen nicht/noch nicht/nur schwer erschließt, nicht aus. Sie leugnete allerdings komplett die Existenz einer schöpferischen Kraft, besonders die eines bewußten Schöpfers.
In diesem Glauben wuchs ich auf, und für mich war es kein Glaube sondern eine Tatsache, so wie ich nicht glaube, daß die Erde rund ist, sondern es weiß.
Aber irgendwann im Leben beginnt jeder, sich bewußt Gedanken über die eigene Lebensphilosophie zu machen. Man beschäftigt sich mehr oder weniger ernsthaft mit der eigenen Ethik und dem, was für einen selbst im Leben zählt. Meine Philosophie war immer schon von christlichen Idealen geprägt (auch wenn ich mich damals heftig dagegen wehrte, diese Ideale mit dem Emblem “christlich” zu versehen – für mich waren es “menschliche” Eigenschaften). Durch die Jahre hinweg mußte ich mir jedoch immer wieder eingestehen, daß so hehre Ideale ich auch haben mochte, ich ihnen nicht gerecht werden konnte. Ehrlichkeit? Die vielen kleinen (und zu oft auch großen) Lügen, die man “nicht vermeiden” konnte, und die ja “niemandem schadeten”. Liebe deinen Nächsten? Ja, solange es nicht um etwas wirklich Essentielles geht, das man selbst hätte aufgeben müssen – dann ist wieder jeder sich selbst der nächste. Neid, Mißgunst, Profilierungssucht, Ignoranz, Selbstsucht, Unverständnis, Lieblosigkeit…jeder von uns wird bei einer ehrlichen Bestandsaufnahme feststellen, daß man die Ideale, denen man nacheifert, nicht erfüllen kann. Dieser Erkenntnis wirklich ins Gesicht zu sehen, das vermeiden wir meist, so auch ich für eine lange Zeit.

Als ich mir im Herbst 1998 einen Internetzugang zulegte, trat eine Veränderung ein. Bisher war mein Umfeld atheistisch gewesen, Diskussionen über Gott und die Welt bewegten sich sozusagen immer im gleichen Kreis, die Basisüberzeugungen der Diskutanten unterschieden sich nur wenig von meinen eigenen. Hier, im Internet, erschloß sich mir plötzlich ein Kreis von Menschen, die von der Existenz Gottes und seinem Wirken überzeugt waren. Mit einigen kam ich in engeren Kontakt, ich redete und diskutierte, und langsam bröckelte mein alter “Glaube”. Ich mußte feststellen, daß meine atheistische Weltsicht auf Ignoranz beruhte. Die für mich so wichtige Logik, der “wissenschaftliche Anstrich”, den gab es nur in meiner Einbildung. Weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes konnte ich mit rationalen und greifbaren Mitteln beweisen. Das liest sich jetzt alles so nüchtern, aber wenn plötzlich die Erkenntnis, daß Gott möglich ist, vom Kopf ins Herz rutscht, ist das zunächst beängstigend. Nun, zumindest war es das für mich, und meine erste Reaktion war, die Augen zu verschließen. Ein Gott, dem ich meine Existenz zu verdanken hatte, dem alles zu verdanken war? Den Konsequenzen, die dieser Gedanke für mich gehabt hätte, konnte / wollte ich mich nicht stellen. Ich ging gerade so weit, auf rein verstandesmäßiger Ebene einzugestehen, daß ich nicht wußte, ob es Gott gab oder nicht – ich war zum Agnostiker mutiert.

Die Zeit verging. Das vergangene Jahr war ein ständiges Fragen, Zweifeln, Suchen, Verzweifeln. Der Gedanke, "Gott ist real", läßt sich, einmal gedacht, nicht für immer wegschließen. Gott läßt sich nicht wegschließen.
Doch selbst wenn Gott real war, woher sollte ich wissen, was und wie Er war? Hatte die Bibel recht? Oder der Koran? Naturreligionen, Pantheismus? Hatte überhaupt jemand eine Ahnung, oder irrten alle genauso herum wie ich, redeten sich nur etwas anderes ein? Ich schien mich ständig im Kreis zu drehen.

Ich begann zu beten, zum ersten mal in meinem Leben. Oft genug wollte ich nichts mehr von allem wissen, wollte die gleichen Fragen nicht immer und immer wieder stellen und doch keine Antwort finden. Es machte mich innerlich krank. Doch Gott ließ mich nicht los.

Ich lernte. Hatte ich früher gedacht, zu wissen, worum es im Christentum ging? Ich mußte feststellen, daß das ein Irrtum gewesen war! Sicher, ich hatte da so eine nebulöse Vorstellung, daß Christen an einen dreieinigen Gott glaubten, daß sie glaubten, Gott sei in Jesus Christus Mensch geworden, die Bergpredigt, Judas, Petrus und Paulus waren mir ein Begriff, gehörten sozusagen zur Allgemeinbildung, hatten aber kaum Bedeutungsinhalt.
Die irrationale Ablehnung der Bibel, die ich noch aus der Vergangenheit mit mir herumschleppte, schwand in dem Maße, wie ich versuchte, mich vorurteilsfrei mit ihr auseinanderzusetzen. In allen anderen Religionen machen sich die Menschen auf den Weg zu Gott, durch Rituale, Einhaltung von Gesetzen, sie verdienen sich den Himmel, das ewige Leben, die Zuneigung ihres Gottes. Ich wußte, das war nicht möglich!!
In der Bibel ist es Gott, der zu den Menschen kommt, der in Seiner Liebe Mensch wird, um durch Seinen Tod den gefallenen Menschen (das war auch ich!!), der sich selbst nicht befreien kann, zu retten…was für eine Liebe, Gnade, Vergebung! Jesus starb für mich?

Langsam, sehr langsam, aber sicher durchdrang die Liebe Gottes den Abwehrring aus Ablehnung, Zweifeln, Ängsten, und so oft auch intelektuellen Ausflüchten, hinter dem ich mich versteckte.
Im Dezember 1999 tat ich schließlich den Schritt, ergriff endlich die Hand, die Er mir so lange schon entgegengestreckt hat, noch voller Angst. Ich habe es nicht bereut. Sanft läßt Er mich erkennen, wie Er mich auch in meiner Verzweiflung begleitete und mich immer wieder auf den Weg hinaus führte. Die Menschen, die Er mir an den Weg stellte, und die mir immer wieder auf die Beine halfen. Unzählige Dinge, in denen ich Seine Hand sehen kann.
Was mich beim ersten Gedanken an Gott so zurückschrecken hatte lassen, sage ich jetzt voller Dankbarkeit und Liebe:
Herr, Dein Wille geschehe! An Deiner Hand möchte ich durch dieses Leben gehen, das Du mir gegeben hast, und von Deiner Größe und Liebe Zeugnis geben. Ich war in tiefster Dunkelheit, doch Du hast mich ans Licht geführt. Dir will ich vertrauen, Dir will ich nachfolgen, und Dir will ich vor allem danken.
Danke, Jesus, für Deine Gnade!

Christina


ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT